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(Antrag an der IV - deutsch als pdf) (Antrag an der IV - franzosisch als pdf)
Zentrum für Kinder- und Jugend- psychiatrie Prof. Dr. med. H.C. Steinhausen Direktor Neumünsterallee 9 8032 Zürich
Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik UPK Prof. Dr. med. K. Schmeck Direktor Schaffhauserrheinweg 55 4058 Basel
Kinder- und Jugendpsychiatrie Universitäre Psychiatrische Dienste Prof. Dr. med. W. Felder Direktor Effingerstrasse 12 3011 Bern
*Seit die Originalpetition im Juni 2008 eingereicht wurde, ist diese bis April 2010 noch von weiteren Fachpersonen unterzeichnet worden
Bundesamt für Sozialversicherungen Geschäftsfeld Invalidenversicherung Herrn Alard du Bois-Reymond Effingerstrasse 20 3003 Bern
Zürich/Bern/Basel im Juni 2008
Frühintervention bei Kindern mit Diagnose Autismus
Sehr geehrter Herr du Bois, sehr geehrte Damen und Herren
Wir – die Unterzeichnenden – sorgen uns um die Situation autistischer Kinder in der Schweiz. Die bisherigen Leistungen der Invalidenversicherung sind für die Betroffenen in keiner Weise ausreichend. Mit der bestehenden Praxis wird eine therapeutische Chance verpasst, die mittel- und langfristig schweres Leid verhindern und viel Geld sparen kann. Hiermit ersuchen wir die IV, ihre bisherige Politik zu revidieren und ihre Leistungen bei Kindern mit autistischen Störungen deutlich zu erhöhen. Kinder sollen ab der Diagnosestellung Anspruch haben auf eine intensive Behandlung von wenigstens 20 Stunden pro Woche. Die gegenwärtige Praxis mit maximal zwei Stunden Frühförderung pro Woche entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Nur eine sehr viel intensivere Behandlung verspricht Aussicht auf Erfolg.
Begründung Die Zahl der Autismusdiagnosen ist in den letzten Jahren weltweit stark angestiegen. Auch wenn aus der Schweiz keine Statistiken vorliegen, lassen die Daten aus einzelnen Praxen und Institutionen darauf schliessen, dass auch hier zu Lande die Diagnose Autismus häufiger gestellt wird. Eine landesweite Erhebung hat die Defizite in der Versorgung von Menschen mit Autismus in der Schweiz klar aufgezeigt (Steinhausen, 2004). In den vergangenen Jahren wurde gleichzeitig viel über Autismus geforscht. Expertinnen und Experten sind inzwischen einhellig davon überzeugt, dass eine möglichst frühe und intensive Behandlung die Fähigkeiten und das Verhalten autistischer Kinder deutlich verbessert und am besten der Vorbereitung dient für ein möglichst unabhängiges Leben ausserhalb von Heimen. Diesen Erkenntnissen hat die IV bislang nicht Rechnung getragen. Ihre Haltung entspricht nicht dem internationalen Wissensstand. Gemäss geltender Praxis haben Kinder mit der Diagnose Autismus Anspruch auf medizinische Massnahmen. In der Realität entspricht dies zwei Lektionen an Frühförderung pro Woche. Für eine tief greifende Entwicklungsstörung reicht dies bei Weitem nicht aus – den Betroffenen werden somit Entwicklungschancen vorenthalten. Kommt hinzu, dass eine zu geringe oder gar keine Intervention die Situation autistischer Menschen verschlechtert: Ihre negativenVerhaltensweisen verfestigen sich und sind später kaum mehr zu beeinflussen. Die Integration wird dadurch praktisch verunmöglicht. Die praktischen Folgen einer solchen Politik sind bekannt. Viele erwachsene Menschen mit Autismus leben heute in Heimen, sind kaum in der Lage einer regelmässigen Beschäftigung nachzugehen und müssen oft rund um die Uhr intensiv betreut werden. Das führt zu enormen Kosten welche die öffentliche Hand über Jahrzehnte leisten muss. Wir sind überzeugt, dass dies nicht im Interesse des Staates ist. Uns Ärzten sind jedoch die Hände gebunden. So lange die IV keine angemessene – sprich intensive – Behandlung anerkennt, können wir den Eltern eine solche nicht verschreiben. Manche Eltern haben sich deshalb selber organisiert, haben für ihre Kinder auf eigene Kosten Förderprogramme aufgestellt und durchgeführt – mit teilweise beachtlichen Erfolgen. Die meisten Väter und Mütter sind indes nicht in der Lage, den hohen Aufwand und die Kosten auf sich zu nehmen. Ihre Kinder bleiben daher von einer adäquaten Behandlung ausgeschlossen. Diese Situation ist stossend. Es darf nicht sein, dass Eltern selber für die dringend notwendigen Massnahmen ihrer behinderten Kinder aufkommen müssen. Sie haben bereits eine grosse Last im Alltag zu tragen. Mit unserem Antrag auf intensive Behandlung von wenigstens 20 Wochenlektionen wäre zumindest die Basistherapie abgedeckt. Viele Eltern fördern ihre Kinder darüber hinaus. Es ist uns bekannt, dass mit der neuen Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen seit Anfang Jahr die Kantone für die heilpädagogische Frühförderung zuständig sind. Beim Autismus handelt es sich jedoch um ein medizinisches Problem. Dafür braucht es medizinische Lösungen, wofür die IV zuständig ist. Man wird einer tief greifenden Entwicklungsstörung nicht gerecht, wenn man sie einzig als pädagogisch-therapeutisches Problem angeht. Gerne erwarten wir Ihre baldige Antwort sowie Ihre Terminvorschläge für ein Gespräch.
Mit freundlichen Grüssen
Prof. Hans-Christoph Steinhausen Prof. Klaus Schmeck Prof. Wilhelm Felder Universität Zürich Universität Zürich Universität Basel Universität Bern
Kopie geht an: BSV, Direktion, Yves Rossier
Beilage: Liste der Mitunterzeichnenden
Mitunterzeichnende:
Ronnie Gundelfinger, Dr. med. Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Leiter der Autismus- Sprechstunde am Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universität Zürich
Esther Manser, Dr. med. Oberärztin, Leiterin der Autismus-Sprechstunde der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Poliklinik KJPP Bern
Emanuel Isler, Dr. med. Chefarzt Kinder- und Jugendpschiatrischer Dienst, Baselland
Peter Weber, Dr. med., dipl.-psych. Leiter a.I. Abteilung Neuropädiatrie, Universitäts-Kinderspital beider Basel, Stiftungsrat Gehörlosen-Sprachheilschule Riehen (Trägerin des Autismus-Zentrum Riehen)
Matthias Baumgartner, Dr. med. Oberarzt, Abt. Stoffwechsel- und Molekulare Pädiatrie, Universitäts- Kinderklinik Zürich
* Seit die Originalpetition im Juni 2008 eingereicht wurde, ist diese bis April 2010 noch von folgenden Fachpersonen unterzeichnet worden:
Suzanne Walitza, Prof. Dr. med. Direktorin (2009) der Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zürich
Olivier Halfon, Prof. Dr. med. Chef de service universitaire, SUPEA (Service universitaire de psychiatrie de l’enfant et de l’adolescent), Lausanne
Nouchine Hadjikhani, Prof. Dr. med. Hadjikhani Lab, Brain Mind Institute, EPFL Lausanne
Mandy Barker, Dr. med. Cheffe de clinique CCN-P Pédopsychiatrie de Liaison Hopital Nestlé-CHUV Lausanne
Dr. Patrick Bruderlein, Université de Genève Faculté de Psychologie et des Sciences de l'Education Docteur en psychologie du développement. Enseignant et chercheur dans le domaine de l'autisme et des troubles envahissants du développement. Expert - psychologue auprès de différentes institutions du canton de Genève
Gian Paolo Ramelli, PD Dr. med. primario di pediatria Ente Ospedaliero Cantonale (Tessin) Bellinzona
Hilary Wood, Psychologue, Responsable, Consultation spécialisée en autisme, Office Méedico- Pédagogique Genève |